Ängste

Wir Psychologen unterscheiden zwischen sog. „realen Ängsten“ und „irrationalen Ängsten“.

Reale Angst ist ein sehr sinnvolles Gefühl, das uns zum Überleben dient. Es stellt eine Art innerer Alarmanlage dar und mahnt uns zu mehr Vorsicht. Reale Ängste stellen kein Problem dar, im Gegenteil schützen sie uns also.

Häufig leiden wir aber unter irrationalen Ängsten. Das Schwierige dabei ist, beides voneinander zu unterscheiden. Auch wenn man unter irrationalen Ängsten leidet, wird man meist Stein auf Bein schwören, dass die Ängste real sind, weil man es eben so fühlt. Und man hat dabei in gewisser Weise auch recht. Das Gefühl ist berechtigt, nur meist nicht in der Situation, die man gerade erlebt. Man „überträgt“ Gefühle (das gilt auch übrigens für alle anderen Gefühle, das kann uns manchmal behindern, manchmal aber auch beflügeln) von einer Situation in eine andere (siehe auch „Übertragungen“ unter „Über Psychotherapie“).

Man überträgt Gefühle, die man in vergangenen Situationen erlebt hat, auf gegenwärtige Situationen. Wir tun das, weil wir uns schützen wollen. So wollen wir z.B. nicht schlechte Erfahrungen wiederholen. Unser Gehirn (unsere Psyche) versucht effektiv zu arbeiten, indem es alles, was wir erleben, mit früher Erlebtem vergleicht. Es geht dabei vor wie ein Suchfilter in einem Computerprogramm. Findet nun unser Suchfilter etwas, das uns ähnlich erscheint wie das jetzt Erlebte, gehen wir sozusagen psychisch in das früher Erlebte. Ein großer Nachteil: Um uns vor dem Schlimmsten zu bewahren, vergleicht unser Gehirn (unsere Psyche) die gegenwärtige Stituation immer mit dem Schlimmsten, was wir erlebt haben. Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie hatten mal beim Zahnarzt eine unangenehme Begegnung mit dem Bohrer. Der Schmerz, die Angst, das Gefühl des Kontrollverlusts usw. kann uns schon mal ein bisschen traumatisieren. Unbewusst nun nimmt man gleichzeitig mit diesen unangenehmen Gefühlen, ohne dass einem das bewusst sein muss, alles andere im Raum auch wahr. Das (scheußliche) Geräusch des Bohrers, der Geruch nach Desinfektionsmitteln usw. Dann kann es sein, dass man später in einen Raum kommt, in dem es nach Desinfektionsmitteln riecht oder man Bohrgeräusche hört und schon bekommt man vielleicht feuchte Handflächen, ein flaues Gefühl im Magen und man spürt eine diffuse Angst.

Zum Zahnarzt geht man ja noch freiwillig. Aber manchmal kommt man in Situationen, die man sich nicht freiwillig selbst ausgesucht hat. Je weiter zurück diese Dinge liegen, je kleiner und real hilfloser man war, umso mehr Angst hat man verspürt. Und je weiter diese Dinge zurückliegen, umso weniger kann es sein, dass man sich bewusst daran erinnert. Vielleicht bekommt man dann nur noch feuchte Handflächen, vielleicht schlägt nur das Herz schneller, es wird einem vielleicht schwindlig oder schlecht, aber es kann sein, dass einem dabei nicht einmal bewusst wird, dass man tatsächlich Angst hat, sondern dass man nur noch die körperlichen Symptome davon spürt.

Chronische Ängste können zu einer ständigen Nervosität und Unruhe, Konzentrationsstörungen, Spannungskopfschmerzen, Zittern, Bauchschmerzen, Übelkeit, Herzklopfen, Benommenheit, Mundtrockenheit, Verdauungsbeschwerden und vielen weiteren vegetativen Störungen führen.

Leiden Sie unter solchen Symptomen und es wurde ärztlich abgeklärt, dass sich keine körperlichen Gründe oder Krankheiten dahinter verbergen, ist es wahrscheinlich, dass Sie Angst haben, aber es Ihnen nicht bewusst ist, weil Sie nur noch die körperlichen Symptome verspüren, sich aber nicht mehr erinnern können, wovor.

Natürlich gibt es noch andere Ängste, z.B die Hypochondrie. Aber der Auslöser für Angst ist immer ein Signal, dass irgendwas nicht stimmt. Das kann auch aus einem selbst kommen, weil man z.B. einen inneren unbewussten Konflikt mit etwas hat. So kann es z.B. sein, dass man eigentlich wütend auf jemanden ist und demjenigen gerne mal die Meinung sagen möchte, man gleichzeitig aber Angst hat, dass man mit der eigenen Wut noch mehr Wut beim anderen auslösen könnte, und der einen z.B. dann nicht mehr mögen könnte, einen verlassen könnte usw. Es kann sein, dass wir dann versuchen, die Wut zu unterdrücken oder zu verdrängen, bis wir diese nicht mehr spüren. Wir bekommen dann aber vielleicht eine unbestimmte Angst, weil die Wut sich doch nicht ganz wegdrücken lässt und in uns rumort. Hier wäre die Angst dann das Signal, dass sich unsere unterdrückten Gefühle nicht länger verdrängen lassen.

Es gibt verschiedene Ängste mit verschiedenen Ursachen und verschiedene Angstkonzepte. Sollten Sie an Ängsten leiden, von denen Sie den Verdacht haben, dass sie „zuviel“ sind, könnte es sinnvoll sein, Unterstützung in einer Psychotherapie zu suchen.